Likrat Schabbat
Likrat Schabbat, mit dem ich Sie erreichen möchte, bedeutet «auf zu Schabbat» und bezieht sich auf ein Zitat von Rabbi Chanina, aufgezeichnet im Talmud Bawli (Schabbat 119a) und aufgenommen in unserem Sidur (S. 67):
באו ונצא לקראת שבתה מלכה – «Kommt lasst uns die Königin Schabbat willkommen heissen.» Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass Likrat Schabbat Ihnen hilft, sich auf die wöchentliche Begegnung mit Schabbat zu freuen und Schabbat zu einer speziellen, beruhigenden und vielleicht sogar nährenden Zeit zu gestalten.
Rabbiner Ruven Bar Ephraim
Gerne senden wir Ihnen Likrat Schabbat auch per E-Mail zu. Senden Sie eine entsprechende Nachricht an unser Sekretariat
Sidra Wa’era, 15. Tewet 5785
Toralesung: Schemot [2BM] 9, 1 – 35; Haftara: Schemuel I 6: 1 - 16.
24.01.2025 18.45 Ma‘ariw leSchabbat
25.01.2025 10.00 Schacharit leSchabbat
Akschen
Die Geschichte des Auszugs aus Ägypten ist voller Wunder. Für die Verfasser des Buches stand die unabhängige Macht Gottes, der Herrscher über die Natur und den Menschen im Mittelpunkt. Die Wunder, von denen wir auch in der dieswöchigen Sidra Wa’era lesen, hatten das Ziel, den göttlichen Plan zu verwirklichen: Die Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei und ihre Einführung in das Land Kena’an, ausgerüstet mit einer eigenen Gesetzgebung, der Tora.
Bei Wundern sollte man nicht nur an positive Dinge denken. Die Plagen zum Beispiel verursachten viel Schaden und Leid, doch der Zweck heiligte laut den Toraschreibern die Mittel. Die Plagen wurden von Mosche und Aharon angekündigt, und der Pharao hätte sich natürlich von der Gewalt, die über sein Land und seine Einwohner hereinbrach, überzeugen und das Volk Israel ziehen lassen können, oder? Doch bei den ersten fünf Plagen «verhärtete der Pharao sein Herz». Trotz der göttlichen Gewalt, die über sein Land kam, liess er sich nicht erweichen. Er war nicht bereit, das Volk ziehen zu lassen und all diese billigen Arbeitskräfte zu verlieren: «Aber das Herz des Pharaos blieb verstockt, und er liess das Volk nicht ziehen» (Schemot 9,7).
Doch dann geschieht bei der sechsten Plage etwas, das die Gemüter bis heute beschäftigt: «Aber der Ewige machte das Herz des Pharaos hart, und dieser hörte nicht auf sie, wie der Ewige es Mosche gesagt hatte.» (Schemot 9,12). Nun ist es nicht mehr der Pharao selbst, der starrköpfig ist, sondern es ist der Ewige, der das Herz des Pharaos verhärtet und ihn das Volk nicht ziehen lässt. Damit stehen wir vor einem ethischen Problem. Die Tora selbst erklärt, dass der Mensch frei ist, zu wählen, ob er das Gute oder das Böse tun will (Dewarim 30,19). Doch hier ist es der Ewige, der dem Pharao diesen freien Willen entsagt. Wie gingen frühere Generationen mit dieser schwierigen Frage um, und wie gehen wir heute damit um?
Rambam (1135-1204): «Weil er [der Pharao] zuvor so viel gesündigt und den Kindern Israel, die in seinem Land wohnten, so viel Unheil angetan hatte, (…) so verlangte auch die Gerechtigkeit, dass man ihm die Teschuwa, die Einkehr, so lange vorenthielt, bis man ihn bestrafen konnte. So verstockte der Heilige, gepriesen sei Er, das Herz des Pharaos» (Hilchot Teschuwa 6,3). Mit anderen Worten: Der Pharao war von Natur aus ein schlechter Mensch, der das Böse wählte. Deshalb entzog Gott ihm die Möglichkeit zur Umkehr.
Owadja Sforno (1475-1549) kommt in seinem Kommentar zu Schemot 7,3 zu einer anderen Schlussfolgerung. Hätte der Pharao die Israeliten nach der fünften Plage ziehen lassen, wäre dies nicht aus freiem Willen geschehen, sondern nur unter dem Druck der Plagen. Damit der Pharao wirklich aus freiem Willen handeln konnte, musste Gott sein Herz verhärten.
Eine weitere Erklärung könnte sein, dass das Verhärten des Herzens dem Pharao selbst zuzuschreiben ist. Sein Verhalten lässt sich mit einem jiddischen Verb erklären: verakschenen. Das bedeutet, gegen besseres Wissen an einer Meinung oder einem Verhalten festzuhalten. Das Hebräische kennt das Wort akschan – Starrkopf. Selbst seine Berater warnten ihn (Schemot 10,7), dass er diesen Kampf nicht gewinnen könne. Vergeblich. Dieses Verhalten ist bei vielen Menschen zu beobachten, besonders bei denen in Machtpositionen. Der Starrkopf wird gewissermassen zum Sklaven seines eigenen Handelns. Oder wie Raw Assi es im Talmud sagt: «Der böse Trieb gleicht anfangs dem Faden des Spinngewebes, zuletzt aber gleicht er Wagenseilen» (Talmud Bawli Sukka 52a).
Der in Freiheit geborene Pharao wird zum Sklaven seiner selbst, während das versklavte Volk Israel der Freiheit entgegengeht. Tragisch, dass das Leben so vieler Menschen dadurch zerstört wurde. Die aktuellen Parallelen sprechen für sich.
Schabbat schalom
Rabbiner Ruven Bar Ephraim