Likrat Schabbat
Likrat Schabbat, mit dem ich Sie erreichen möchte, bedeutet «auf zu Schabbat» und bezieht sich auf ein Zitat von Rabbi Chanina, aufgezeichnet im Talmud Bawli (Schabbat 119a) und aufgenommen in unserem Sidur (S. 67):
באו ונצא לקראת שבתה מלכה – «Kommt lasst uns die Königin Schabbat willkommen heissen.» Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass Likrat Schabbat Ihnen hilft, sich auf die wöchentliche Begegnung mit Schabbat zu freuen und Schabbat zu einer speziellen, beruhigenden und vielleicht sogar nährenden Zeit zu gestalten.
Rabbiner Ruven Bar Ephraim
Gerne senden wir Ihnen Likrat Schabbat auch per E-Mail zu. Senden Sie eine entsprechende Nachricht an unser Sekretariat
Sidra Schelach lecha, 25. Siwan 5785
Toralesung: Bemidbar [4BM] 15, 1-41, 16; Haftara: Secharja 7, 1-10.
20.06.2025 18.45 Ma’ariw leSchabbat
21.06.2025 09.30 Schabbat Simcha / 10.00 Schacharit leSchabbat
Bilanz
Die liberale jüdische Welt liest ein Drittel der traditionellen Sidra pro Jahr. Im Allgemeinen bleibt genug Lehrstoff und Text übrig, um darüber zu diskutieren. Im Fall der Sidra dieser Woche, Schelach lecha, beziehen sich insbesondere der dritte Teil (den wir dieses Jahr lesen) und der erste Teil aufeinander. Daher beziehe ich auch das Thema des ersten Teils in meine Worte mit ein.
Im ersten Teil lesen wir, dass das Volk Israel an der Grenze des Gelobten Landes angekommen ist. Mosche schickt zwölf Kundschafter aus, um das Land zu erkunden (jaturu, 3. Person Plural vom Stamm tur). Zehn dieser Männer geben eine negative ‘Reiseempfehlung’ ab, zwei eine positive. Das Volk glaubt den zehn, und die Folge ist, dass es weitere 38 Jahre durch die Wüste ziehen muss, bis diese ganze Generation gestorben ist, bevor das Land eingenommen werden darf (Bemidbar [4BM] 13:1 – 14:10).
Am Ende der Sidra – dem Teil, den wir dieses Jahr lesen – wird die Mizwa der Zizit (Schaufäden) beschrieben (Bemidbar [4BM] 15, 38–40). An die Ecken des zu tragenden Kleidungsstücks sollen Zizijot (Mehrzahl von Zizit) befestigt werden. Beim Anblick dieser, so der Text, sollen sie an alle Mizwot des Ewigen erinnern, die befolgt werden sollen. Dabei wird gewarnt: «nicht euren Herzen und euren Augen nachzugehen und ihnen nachzuhuren» (taturu, 2. Person Plural vom Stamm tur).
Sowohl zu Beginn der Sidra als auch am Ende ist das Sehen ein zentrales Thema. Die Kundschafter sollen ihre Augen gut einsetzen, um einen fundierten Bericht zu geben. Sie sehen jedoch unterschiedliche Dinge. Jehoschua und Kalew sahen die Schönheit des Landes, seine Fruchtbarkeit, und kamen zu dem Schluss, dass es ein gutes Land sei, in dem man wohnen könne und das man gewiss jetzt einnehmen könne. Die anderen zehn sahen nur Gefahren. Dort wohnen Riesen, die Amalekiter leben dort, und es ist ein Land, das seine Bewohner frisst.
Im Teil der Sidra, den wir diese Woche lesen, erhalten wir eine negative Anweisung (Bemidbar [4BM] 15, 39): Wir sollen unserem Herzen und unseren Augen nicht folgen, denn das könnte dazu führen, dass wir durch das, was wir sehen, die Mizwot vergessen. Das hat zur Folge, dass manche jüdische Menschen buchstäblich die nichtjüdische Welt nicht ansehen. In bestimmten jüdischen Gruppen herrscht die Angst, dass das Sehen von etwas anderem als den Zizijot das Ende des jüdischen Volkes bedeuten könnte.
Zum Glück sehen wir das im liberalen Judentum anders. Das Sehen der Zizijot ist wichtig für unsere Identität. Aber das Sehen der Welt um uns herum und das Verstehen dessen, was sie uns zu bieten hat, kann eine grosse Bereicherung für uns als Individuum und als Gemeinschaft sein. Das nach aussen gerichtete jaturu und das auf uns selbst gerichtete taturu geben uns ein gutes Gleichgewicht zwischen unserer jüdischen Identität und unserer Identität als Mitglied der Gesellschaft, in der wir leben.
Schabbat Schalom,
Rabbiner Ruven Bar Ephraim